Klimastudie: 50 Prozent weniger CO2-Emissionen durch europäische Unternehmen möglich

Zürich, 9. März 2022: Wenn die am meisten CO2 verursachenden Unternehmen in der Schweiz und Europa mit den Vorreitern beim Klimaschutz gleichziehen würden, könnten die unternehmensbedingten Emissionen europaweit um die Hälfte sinken. Dies geht aus einem neuen Bericht von CDP, der gemeinnützigen Organisation, die das globale Umweltinformationssystem betreibt, und der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman hervor. Demnach tragen Schweizer und europäische Unternehmen zwar zum weltweit zunehmenden Einsatz wissenschaftsbasierter Ziele bei, versäumen es aber noch häufig, ihre weitergehenden Auswirkungen auf die Umwelt zu berücksichtigen.

Der Report Now For Nature: The Decade of Delivery, der heute auf der jährlichen, hochrangigen CDP-Konferenz mit Euronews TV vorgestellt wird, zeigt, dass die Zahl der Unternehmen mit wissenschaftsbasierten Klimazielen im vergangenen Jahr um 85 Prozent gestiegen ist. Diese Unternehmen[1] sind für ein Drittel der gemeldeten Emissionen verantwortlich, sodass nun 450 Millionen Tonnen CO2-Emissionen durch Zielsetzungen gemäss der Science Based Targets Initiative (SBTi) erfasst sind. Dennoch setzen sich nur 17 Prozent der Schweizer und 16 Prozent der Unternehmen in Europa Ziele, die mit dem 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens übereinstimmen. Der Fortschritt erfolgt bisher nur in kleinen Schritten: Zwar gingen die gemeldeten Emissionen von Unternehmen während der Coronapandemie um 13 Prozent zurück, doch es gibt kaum Anzeichen für eine nachhaltige Verringerung. Bereinigt um die Covid19-Effekte liegt die CO2-Reduktion bei jährlich 1,5 Prozent und somit weit entfernt von den 4,2 Prozent, die gemäss des 1,5°C-Pfads des Pariser Abkommens nötig wären.[2]

In Hinblick auf die Finanzbranche weisen mittlerweile 23 Prozent der Schweizer Institute «finanzierte Emissionen» aus, die im Zusammenhang mit Investitionen, Krediten und Versicherungstätigkeiten stehen. In Europa liegt der Anteil bei 44 Prozent – eine Zunahme um 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Jedes zehnte Institut in der Schweiz (8 Prozent) und jedes vierte in Europa (27 Prozent) berücksichtigt hierbei mindestens die Hälfte des eigenen Portfolios. Zudem setzt sich inzwischen ein Drittel (32 Prozent) der Finanzinstitute bei seinen Kunden und Portfoliounternehmen dafür ein, dass diese ihre Emissionsziele im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel festlegen. Der Bericht stellt jedoch fest, dass bei weiter gefassten Umweltrisiken ähnliche Fortschritte noch ausstehen. So ist die Wahrscheinlichkeit fast doppelt so hoch, dass Investoren ihre Portfolios anhand von Klimarisiken bewerten, als in Bezug zu Entwaldungsrisiken (88 Prozent gegenüber 46 Prozent).

Weiterhin verpflichtet sich weniger als ein Viertel der Unternehmen mit Lieferketten in Ländern, in denen ein hohes Abholzungsrisiko besteht, dieses zu verhindern. Zudem verfügen weniger als die Hälfte der Unternehmen, die Rindfleisch, Soja und Palmöl beziehen, über ein System zur vollständigen Rückverfolgbarkeit. Weiterhin geben 77 Prozent der Unternehmen an, das Volumen der Wasserentnahme zu verringern oder beibehalten zu wollen, aber nur 14 Prozent haben ein Ziel zur Bekämpfung der Wasserverschmutzung ausgewiesen. Nur eines von 20 Unternehmen (5 Prozent), die gegenüber CDP Angaben zu Klimaschutz, Entwaldung und Wasser gemacht haben, formuliert neben wissenschaftlich basierten Klimazielen auch Ziele zur Verringerung der Wasserentnahme sowie eine Selbstverpflichtung zur Vermeidung von Abholzung.[3] Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Unternehmen ihre breiter gefassten, aber ebenfalls signifikanten, Auswirkungen auf die Natur und die biologische Vielfalt unterschätzen.

Dem Bericht zufolge gehen 86 Prozent der gesamten Emissionen von Unternehmen auf indirekte Emissionen (Scope 3) zurück. Dies entspricht dem 6-fachen der direkten Emissionen. Doch nur 46 Prozent der Schweizer, beziehungsweise 53 Prozent der europäischen Unternehmen, legen Daten zu den wichtigsten Ursachen ihrer indirekten Emissionen offen, die zumeist durch ihre Lieferketten sowie die Verwendung ihrer Produkte entstehen. Dies lässt den Schluss zu, dass Unternehmen substanzielle Geschäftsrisiken nicht adäquat in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Das durchschnittliche finanzielle Risiko im Zusammenhang mit dem Klimawandel wurde mit 355 Millionen Euro pro Unternehmen bewertet und ist damit zehnmal beziehungsweise fünfmal höher als die Risiken in Bezug auf die Wassernutzung und Entwaldung. Zu letzteren zählt auch die bevorstehende EU-Verordnung für ein Verbot von Importen, die im Zusammenhang mit der Abholzung von Wäldern stehen.

Ein insgesamt wiederkehrendes Ergebnis ist, dass nur wenige Unternehmen eine Führungsrolle übernehmen, sowohl in den Bereichen Klima, Wälder oder Wassersicherheit als auch hinsichtlich der gesamten Wertschöpfungskette. Würden alle Unternehmen mit den Vorreitern ihrer Branche in Sachen Emissionsreduktion gleichziehen, liesse sich jährlich ein Emissionsvolumen einsparen, das dem Ausstoss des Vereinigten Königreichs und Irlands entspricht.

Maxfield Weiss, Exekutivdirektor des CDP Europa, sagt: «Es ist ermutigend, dass die Führungsfiguren des europäischen Finanzsystems und der Realwirtschaft aktiv werden. Aber noch ist die Spitzengruppe in Sachen Klimaschutz überschaubar - wir müssen die Massnahmen auf den gesamten Markt ausweiten. Es ist höchste Zeit, dass alle Unternehmen und Finanzinstitute mit einem grossen ökologischen Fussabdruck Massnahmen ergreifen, um ihre Wertschöpfungsketten mit den natürlichen Grenzen unseres Planeten in Einklang zu bringen. Wir müssen einen tiefgreifenden Wandel herbeiführen, um sowohl Netto-Null-Emissionen als auch eine vollständige Erholung der Natur zu erreichen.»

Joris D’Incà, Schweizchef von Oliver Wyman, fügt hinzu: «Es ist erfreulich, dass immer mehr Unternehmen ihre Klimabemühungen anhand wissenschaftlich fundierter Ziele ausrichten. Dennoch sind die Fortschritte bei der Emissionsreduktion uneinheitlich und in vielen Unternehmen reichen sie nicht aus, um das 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Während die Schweizer Grossbanken hierbei zuletzt deutliche Fortschritte verzeichnen, besteht bei den übrigen Finanzinstituten oftmals noch Nachholbedarf. Die Massnahmen zum Schutz des Klimas und der Umwelt insgesamt sind von essenzieller Bedeutung für uns alle. In der Finanzbranche entscheiden sie zusätzlich noch unmittelbarer als in anderen Industrien über den Geschäftserfolg. Nur diejenigen Institute, die «financed emissions» transparent ausweisen und das Emissionsvolumen glaubhaft und nachhaltig verringern, werden ihre Kunden künftig langfristig von sich überzeugen können.»

Für den Bericht von CDP Europe wurden Daten von über 1220 europäischen Unternehmen ausgewertet, die ihre Auswirkungen auf den Klimawandel, die Wälder und die Wassersicherheit im Jahr 2021 über das CDP-Offenlegungssystem transparent gemacht haben.

Der Bericht wird heute von Oliver Wyman im Rahmen der CDP Europe Awards: Now For Nature vorgestellt, einer Veranstaltung mit den Exekutivsekretärinnen der Vereinten Nationen für Klima und Biodiversität, Patricia Espinosa und Elizabeth Mrema, dem EU-Klimachef Frans Timmermans, dem renommierten Wissenschaftler für planetarische Grenzen, Dr. Johan Rockstöm, und der litauischen Premierministerin Ingrida Šimonytė.  

Der vollständige Bericht «Now For Nature» ist auf der CDP-Website unter www.cdp.net/europeanreport verfügbar.

 

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[1] Bezogen auf 1228 Unternehmen, die dem CDP ihre Daten zur Verfügung gestellt haben und die in diesem Bericht analysiert wurden. Die Analyse basiert auf den börsennotierten Unternehmen, die den Investoren im Jahr 2021 über das CDP Daten zur Verfügung gestellt haben.
[2] Die Angaben beziehen sich auf die durchschnittlichen Reduzierungen von Scope 1- und 2-Emissionen, die von 2017 bis 2019 bei jährlich -1,5°C liegen.
[3] 198 europäische Unternehmen wurden aufgefordert, über das CDP Daten zu allen Fragebögen im Jahr 2021 offenzulegen; 83 (41 Prozent) kamen dieser Aufforderung nach, was darauf hindeutet, dass die tatsächliche Zahl der Unternehmen mit soliden Zielen für ihre gesamten Auswirkungen noch geringer ist.

 

Über CDP
CDP ist eine globale Non-Profit-Organisation, die das weltweite System zur Offenlegung von Umweltdaten für Unternehmen, Städte, Staaten und Regionen betreibt. CDP wurde im Jahr 2000 gegründet und arbeitet mit über 590 Investoren mit einem Vermögen von 110 Billionen US-Dollar zusammen. CDP leistete Pionierarbeit bei der Nutzung der Kapitalmärkte und der Unternehmensbeschaffung, um Unternehmen zu motivieren, ihre Umweltauswirkungen offenzulegen und Treibhausgasemissionen zu reduzieren, Wasserressourcen zu schützen und Wälder zu erhalten. Über 10.000 Organisationen auf der ganzen Welt haben im Jahr 2020 Daten über CDP offengelegt, darunter mehr als 9.600 Unternehmen, die mehr als 50 Prozent der globalen Marktkapitalisierung ausmachen, sowie über 940 Städte, Staaten und Regionen, die zusammen eine Bevölkerung von über 2,6 Milliarden Menschen repräsentieren. CDP ist vollständig an der TCFD ausgerichtet und verfügt über die grösste Umweltdatenbank der Welt. Die CDP-Ergebnisse werden weithin genutzt, um Investitions- und Beschaffungsentscheidungen in Richtung einer kohlenstofffreien, nachhaltigen und widerstandsfähigen Wirtschaft zu treffen. CDP ist Gründungsmitglied der Science Based Targets Initiative, We Mean Business Coalition, The Investor Agenda und der Net Zero Asset Managers Initiative. Besuchen Sie cdp.net oder folgen Sie uns @CDP, um mehr zu erfahren.

Über Oliver Wyman
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Now For Nature: The Decade of Delivery


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