Nachhaltigkeit beim Kauf von Elektrogeräten - Verschenktes Potenzial

Zürich Konsumenten in der Schweiz lassen ihrem Wunsch nach einem nachhaltigen Lebensstil beim Kauf von Elektrogeräten nicht immer Taten folgen. Allerdings zeigt eine aktuelle Befragung der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman, dass sich das Bewusstsein zusehends wandelt. Mehrausgaben für Fernseher, Smartphones oder Staubsauger werden vor allem dann akzeptiert, wenn das Gerät eine garantierte Reparierbarkeit oder Recyclingfähigkeit mitbringt. Auch steigt die Akzeptanz, aufgearbeitete Geräte aus zweiter Hand («refurbished») zu kaufen. Dieser Trend bietet Chancen für Händler und Hersteller, in das Secondhand-Geschäft einzusteigen.

Muss der neue Fernseher wirklich fabrikneu sein? Nicht unbedingt: Für ein gutes Viertel aller Konsumenten in der Schweiz wäre nach einer aktuellen Umfrage auch ein aufgearbeiteter Fernseher aus zweiter Hand («refurbished») eine Option. Mehr als 20 Prozent könnten sich zudem vorstellen, ihren Staubsauger oder das Smartphone «refurbished» zu kaufen. Für die Experten der Strategieberatung Oliver Wyman deuten die Daten auf ein wachsendes Nachhaltigkeitsbewusstsein in der Schweiz auch bei Elektrogeräten hin. Noch stärker ist dieses bei Konsumenten, die in den letzten Jahren ein Gerät gekauft haben. 

Knacknuss ist die Zahlungsbereitschaft  

«Noch klafft eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit, wenn es um die verantwortungsvolle Anschaffung von Elektrogeräten geht», sagt Oliver Wyman-Partner und Handelsexperte Nordal Cavadini. «Doch gerade Menschen, die in den letzten fünf Jahren ein Gerät gekauft haben, zeigen sich wesentlich aufgeschlossener, mehr Geld für bestimmte Nachhaltigkeitseigenschaften auszugeben.» 75 Prozent dieser Gruppe halten Nachhaltigkeit beim Kauf von Elektro- und Haushaltsgeräten für wichtig oder sehr wichtig – so zumindest die Selbsteinschätzung. 

Doch was ist das Lippenbekenntnis an der Ladenkasse wert? Laut Umfrage sind höhere Preise für viele durchaus akzeptabel: So würden 87 Prozent der zuletzt aktiven Käufergruppe Mehrkosten beim Gerätekauf nicht ablehnen, wenn ihnen dafür konkrete Nachhaltigkeitsvorteile geboten werden. Als zugkräftige Argumente für Mehrausgaben erweisen sich vor allem die garantierte Reparierbarkeit sowie die Recycling-Fähigkeit: Hierfür wären von den zuletzt aktiven Konsumenten 42 Prozent bzw. 43 Prozent bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Mit der vorgezogenen Recyclinggebühr (vRG) gibt es bereits eine im Kaufpreis enthaltene Abgabe, über die das Recycling- und Entsorgungssystem finanziert wird. Eine höhere Energieeffizienzklasse würde hingegen 29 Prozent bewegen, einen höheren Gerätepreis zu akzeptieren. 

Nachhaltigkeit in der Schweiz tief verwurzelt

Mit Blick auf eine vergleichbare Studie aus Deutschland stuft Cavadini die schweizerischen Werte als hoch ein. In Deutschland werden höhere Anschaffungspreise vor allem gekoppelt an die klare Erwartung von Effizienzvorteilen, die über die Nutzungsdauer Ersparnisse versprechen. «In der Schweiz ist das Thema Nachhaltigkeit fest verankert», sagt Cavadini. «Man erkennt aber zugleich, dass die Inflation und die Energiedebatte hierzulande noch nicht so präsent sind wie bei den deutschen Nachbarn.» 

In beiden Ländern spielen die Aspekte einer CO2-neutralen und sozial verträglichen Produktion eine nur untergeordnete Rolle, wenn es an die konkrete Kaufentscheidung geht. «Die Diskrepanz zwischen Wollen und Machen ist beim Kauf von Elektrogeräten naturgemäss grösser als zum Beispiel bei Lebensmitteln, wie wir aus früheren Studien wissen», bestätigt Martin Schulte, Partner und Konsumgüterexperte bei Oliver Wyman in Deutschland. «Die Produktkategorie Elektro- und Haushaltsgeräte hat insofern noch erhebliches Potenzial für mehr Zahlungsbereitschaft, wenn es Herstellern und Händlern gelingt, die Nachhaltigkeitsvorteile möglichst transparent rüberzubringen.»

Label finden erst wenig Beachtung

Helfen könnte hierbei die konsequente Nutzung von Labeln, wobei laut Umfrage bislang nur die sogenannte Energieetikette mehr als der Hälfte aller Konsumenten bekannt ist. «Insgesamt zeigt der Schweizer Markt ein sehr niedriges Niveau an Label-Wiedererkennung», konstatiert Cavadini. 

Für den Handelsexperten zeigen die Daten vor allem spannende Perspektiven auf, in Richtung Gebrauchtmarkt zu denken: «Es herrscht angesichts der Präferenzen, makroökonomischer Faktoren und Lieferengpässe durchaus Potenzial für Secondhand-Strategien», sagt Cavadini. Wichtig sei es, das Vertrauen aufzubauen, dass das Gerät tadellos ist. Käufern von garantiert funktionsfähiger Gebrauchtware könne man gleich drei Vorteile bieten: «Sie bekommen die Ware schneller, günstiger und dürfen ein besseres Gewissen haben.» Bisher sei das Geschäft vor allem Drittplattformen überlassen worden. Erste Ansätze, sich mit dem Zweitmarkt anzufreunden, zeigen aber auch Konzerne. So kauft Media Markt unter dem Schlagwort «Trade-In» ausgewählte Gebrauchtgeräte zurück, die von Trade-In Partnern weiterverkauft werden. Und Ikea bietet für bestimmte Möbel einen Rückkauf an, um sie in der Kategorie «Zweites Leben» anderen Kunden erneut zum Kauf anzubieten.


Über die Befragung

Für die Untersuchung wurden 750 Konsumenten in der Schweiz im Juli 2022 zur Nachhaltigkeit ihres Lebensstils und insbesondere dazu befragt, welche Nachhaltigkeitsaspekte bei Haushaltselektronik ihnen wichtig sind und in welchen Produktsegmenten sie sich vorstellen könnten, ein Gerät aus zweiter Hand («refurbished») zu erwerben.  

Für die zum Vergleich herangezogene Studie von Oliver Wyman und der gfu Consumer & Home Electronics GmbH wurden 1.300 Konsumenten in Deutschland im Juni 2022 zu ihrer Zahlungsbereitschaft für Nachhaltigkeitsmerkmale von Haushaltselektronik befragt.

 

Über Oliver Wyman

Oliver Wyman ist eine international führende Strategieberatung mit weltweit über 5.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in mehr als 70 Büros in 30 Ländern. Wir verbinden ausgeprägte Branchenexpertise mit hoher Methodenkompetenz bei Digitalisierung, Strategieentwicklung, Risikomanagement, Operations und Transformation. Wir schaffen einen Mehrwert für den Kunden, der seine Investitionen um ein Vielfaches übertrifft. Oliver Wyman ist ein Unternehmen von Marsh McLennan (NYSE: MMC). Unsere Finanzstärke ist die Basis für Stabilität, Wachstum und Innovationskraft. Zudem sind wir Mitgründer von digitalswitzerland, der Initiative, welche hinter den Schweizer Digitaltagen steht. Weitere Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.ch. Folgen Sie Oliver Wyman auf Twitter @OliverWyman.

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